Dieses beeindruckende, bis zu 250cm lange und 550kg Tier wurde erst kürzlich in den arktischen Eisgebieten Ükkelaysiens entdeckt. Es erscheint zwar optisch den irdischen Echsen oder Amphibien zuzuordnen, es verfügt jedoch über viele Eigenschaften, die sich mit keiner Tiergattung der Erde vergleichen lassen.
Der Körper besteht aus einer weichen, elastischen Masse, die dunkel- bis hellblau gefärbt ist und eine lederartige Oberfläche besitzt. Die vier seitlich wie bei einer Schildkröte herausragenden, starken Beine enden in fladenartigen, pechschwarzen Füßen, die keine Zehen im klassischen Sinne verfügen, sondern nur unregelmäßig geformte Verlängerungen, die auch über keine Gelenke oder Muskulatur verfügen. Die Füße dienen in diesem Fall nur dem Halten des Gleichgewichts, ein Greifen oder Festhalten ist nicht möglich.
Ein weiteres Körpermerkmal, das an eine Schildkröte erinnern läßt, ist der grünlich-rotbraune, mit dem Rücken verwachsene Rückenpanzer, der jedoch aus vielen sechseckigen, harten Waben-Platten besteht. Der Panzer umfaßt auch nicht den ganzen Körper, sondern bedeckt nur den hochgewölbten Rücken und zieht sich nur an den Beinen weiter den Körper hinunter.
Direkt auf der Oberseite des Rückenpanzers ragt eine finnenartige Erhebung hervor, die etwa 10-20 cm dick und anfangs ca. 30cm hoch ist und sich bis zum hinteren Ende des Panzers langsam verjüngt und abflacht. Im Innern dieser Wölbung befindet sich ein einzigartiges Organ, auf welches ich noch später eingehen werde.
Der Kopf ist ein dicker, weicher Fortsatz am vorderen Körperende, der in drei Ausläufern endet. Auf jedem dieser Ausläufer ragt ein einzelnes, tentakelartiges Stielauge empor, das jeweils über zwei Pupillen verfügt. Man vermutet (die Forschungen stehen erst ganz am Anfang), daß der Augapfel, der prinzipiell ähnlich wie bei den Menschen gebaut ist, zweigeteilt ist und die beiden Pupillen jeweils für den Blick in die Ferne und in die Nähe konzipiert sind, weil aller Wahrscheinlichkeit nach die Augen über keine ausgeprägte Akkomodations-Möglichkeiten (Scharf-Einstellungs-Möglichkeiten) verfügen.
Der Kopf liegt meist direkt auf dem Boden auf, wie auch der Körper, und schmiegt sich an die Bodenunebenheiten an.
Der Lebensraum des Eisschmelzers ist bemerkenswert: er fühlt sich am wohlsten, wenn alles, soweit das Auge reicht, aus blankem Eis besteht! Und nun komme ich zu dem Organ, das sich in der auffallenden Rückenerhebung befindet. Auf eine noch unerklärliche Weise schafft es der T'hon-Haargh, das sich in seiner Nähe befindliche Eis zum schmelzen zu bringen! Es besteht kaum ein Zweifel, daß der Ursprung dieser "Kraft" in einem kleinen Organ in der Rückenfinne liegt, da in experimentalen Versuchen durch ein operatives Entfernen dieses Organs der Eisschmelzer nicht mehr dazu in der Lage.
(Ich möchte dazu anmerken, daß Tierversuche auf Mysterion sehr streng beobachtet und nur von staatlicher Seite in Einzelfällen genehmigt werden! Da es sich hier jedoch um eine einzigartige und bisher unerklärliche Fähigkeit handelt, wurde der Forschung und des Fortschritts zuliebe das Einverständnis gegeben.)
Mit dieser "Eisschmelze" beginnt der T'hon-Haargh sofort, wenn man ihn in entsprechendem Gelände aussetzt, und hört erst damit auf, wenn ein ca. 40-50m durchmessender und oft bis zu 10m tiefer See entstanden ist. Der Eisschmelzer benötigt allen Anscheins nach das flüssige Wasser und den darunter zum Vorschein kommenden Erdboden zum Überleben (er läßt sich nur dort nieder, wo in bis zu 10m Tiefe die Erdoberfläche beginnt, anscheinend verfügt er über eine Art Sonar, mithilfe dessen er die Eisschicht unter sich "durchschauen" kann!).
Ist einmal ein See entstanden, friert dieser auch nicht mehr zu, weil der T'hon-Haargh diesen permanent daran hindert. Messungen haben ergeben, daß die Wassertemperatur an keiner Stelle des Sees je unterhalb von 3°C sinkt.
Das Tier beginnt nun, am Boden des Sees das Erdreich aufzuwühlen. Zum einen ermöglicht er es damit den im Boden enthaltenen Kleinstlebewesen, die sich in einem Permanent-Frostzustand befinden, im Wasser zu neuer Aktivität zu gelangen. Zum anderen sorgt der Eisschmelzer dadurch für Nahrung, denn er nimmt durch Osmose durch die Haut verschiedenste im Wasser gelöste Nährstoffe und Salze auf. Die Atmung erfolgt offensichtlich ebenfalls durch die Haut, denn äußere Atemorgane sind nicht erkennbar, wie auch sonst keine Freß- oder Ausscheidungs-Öffnungen.
Des weiteren schiebt er nach ca. 2 Monaten nach der Eisschmelze mit den Kopffortsätzen Erde und Steine zu einem kleinen Kreis-Wall zusammen. Nach weiteren 2 Monaten legt er dort ein ca. 40-50cm großes Ei hinein, das kugelrund und grünlich gefärbt ist. Anscheinend ist der Eisschmelzer zweigeschlechtlich, denn er benötigt zur Eiproduktion keinerlei Kontakt zu anderen Tieren seiner Art. Ohnehin ist er ein Einzelgänger und geht Artgenossen meist aus dem Weg.
Nach ca. 30-40 Tagen schlüpft nun aus dem Ei ein bereits fertig entwickelter T'hon-Haargh. Weil vermutlich das Organ, das das Wasser am Gefrieren hindert, bei dem Jungtier noch nicht so stark entwickelt ist, wird es vom Elterntier noch weitere 4 Monate begleitet, währenddessen es auf die Länge von ca. 120-140cm heranwächst. Dabei wächst der anfangs nur aus wenigen Hornplatten bestehende Rückenpanzer ständig mit, indem an den Rändern und an der Rückenfinne neue kleine Plättchen gebildetet werden, die nach und nach durch weitere Hornproduktion vergrößert werden.
Dann verläßt der erwachsene T'hon-Haargh das Jungtier und beginnt eine Wanderung über das Eis. Dabei hinterläßt es meist eine breite ausgeschmolzene Rinne, die noch lange, nachdem ein Eisschmelzer den Weg gekreuzt hat, erkennbar ist. Auf der Suche nach geeignetem Terrain legt er oft viele Kilometer zurück, um auch eine ausreichende Entfernung zum Jungtier zu haben, da die einzelnen Seen in einem von Eisschmelzern bewohnten Gebiet nie einen Abstand von ca. 12 km unterschreiten. Wie das Tier allerdings die Entfernung anderer Artgenossen wahrnimmt, ist noch ungeklärt. Das Einzige, was man jetzigem Wissensstand vermuten könnte, wäre ein ultraempfindliche Vibrationswahrnehmungsvermögen, denn die Tiere erzeugen im Körperinnern permanent ein an- und abschwellendes Brummen, das auch für menschliche Ohre wahrnehmbar ist. Da die Eisschmelzer keinerlei erkennbare Ohren oder andere Hörorgane besitzen, könnte man eine hohe Vibrationswahrnehmung annehmen. Die Forschungen auf diesem Gebiet laufen auf Hochtouren.
Was für diese Theorie spricht, ist unter anderem die Tatsache, daß Versuchstiere, die mit Sensoren markiert wurden, so daß ihr Aufenthaltsort im See geortet werden konnte, bereits lange bevor irgendeiner der Forscher auch nur in die Nähe des Sees gelangen konnte, an die Oberfläche aufstiegen und die Ankommenden mit aus dem Wasser ragenden Stielaugen empfingen. Es gelang bis jetzt noch nicht, "unbemerkt" sich einem dieser Tiere zu nähern.
Zum Menschen (andere höher entwickelten Tiere kommen ohnehin in diesen Landstrichen nicht vor) entwickeln die Eisschmelzer eine seltsame fehlende Scheue; wenn die Forscher an die Seen reisen, werden sie prinzipiell am Ufer von den Tieren empfangen (auf die bereits beschriebene Weise), teilweise kommen sie sogar aus dem Wasser heraus und lassen sich dann auch in der Regel unberührt untersuchen, ohne Anstalten zur Flucht zu unternehmen.
Ich persönlich bin noch nie einem solchen Tier begegnet, würde es aber nur zu gerne einmal besuchen, wenn mein Studien-Etat es erlaubt. Ich werde beim Betrachten von Video-Aufzeichnungen den Verdacht nicht los, daß diese Tiere intelligenter sind als man bisher annimmt.
Zur Angabe, wie alt T'hon-Haarghs werden können, ist das Entdeckungsdatum noch zu neu. Es ist außer an der Größe auch sehr schwer zu bestimmen, wie alt ein Tier wohl sein könnte. Nur Jungtiere lassen sich durch ihre relativ kleine Körpergröße eindeutig zuordnen.
Nachdem man entdeckte, unter welchen Umständen diese Tiere leben, konnte man die Population sehr einfach bestimmen, indem man aus dem All schlicht die Anzahl der Seen in den Eisgebieten Ükkelaysiens zählte. Danach beträgt die Population ziemlich genau 2360 Tiere, zuzüglich derer, die gerade zum Zeitpunkt der Zählung auf Wanderschaft waren. Natürliche Feinde besitzt der Eisschmelzer nicht, daher wäre die Art nur durch fehlerhaftes Handeln des Menschen oder durch Zerstörung des Lebensraumes in ihrem Bestand gefährdet. Da jedoch die Eisregionen Ükkelaysiens ähnlich wie auch die Südpol-Regionen der Erde als tabu für jegliche wirtschaftliche Erschließung oder militärische Nutzung gilt, ist dies auszuschließen.